Ukraine-Hilfe kostet weniger, als ihr nicht zu helfen

Manche Menschen denken sie würden das richtige tun, auch wenn das heißt, dass man von nichts zurückscheut, was noch im Rahmen ist, weil man möchte, dass die Guten immer gewinnen.
Aber dann geschieht was und man ist nicht mehr sicher, wer die Guten und die Bösen sind. Und dann fragt man sich dann, hat man das richtige getan.

Opa, gehörst du zu den Guten?
Ich geb mir Mühe.

Liam Neeson

Es ist lange her, dass ich hier über „Der Politiker Olaf Scholz“ geschrieben habe. Es war ein Beitrag zu seiner Einstellung zum Frieden. Ich habe dazu geschrieben, dass sich seine Meinung zum Frieden mit dem Aufstieg in der SPD geändert hat.  Eigentlich wollte ich heute meine Meinung zu seinem Aufstieg in der SPD in einem weiteren Beitrag niederschreiben.

Nun hat Bundeskanzler Olaf Scholz in einem am Freitag, den 16. Februar 2024, in den sozialen Netzwerken veröffentlichtes Video erklärt, warum es seiner Meinung nach weniger kostet, die Ukraine zu unterstützen, als sie nicht zu unterstützen. Er sprach nicht vom Frieden. Diese Ansprache hielt Herr Scholz im Zusammenhang mit den geschlossenen Sicherheitsvereinbarungen mit der Ukraine am gleichen Tag.

Dies ist die Mitschrift dieser Ansprache von Olaf Scholz zum Volk. Dieses Video erschien auf X. Es ist inzwischen gelöscht worden. Das ist in meinen Augen Zensur. Ich habe es retten können, sie können es hier ansehen.

Ich will zu dieser Ansprache meine Meinung sagen. Der Bundeskanzler Olaf Scholz begann mit den Worten:

Seit jetzt schon zwei Jahre führt Russland Krieg gegen die Ukraine. Und seit zwei Jahren verteidigen die Ukrainerinnen und Ukrainer ihre Heimat tapfer gegen diesen erbarmungslosen Angriffskrieg. Die russische Invasionsarmee verursacht jeden Tag unendliches menschliches Leid. Viele tausend Zivilistinnen und Zivilisten wurden getötet und verwundet, unzählige mussten ihr Land verlassen. Und viele haben bei uns Zuflucht gefunden.

Ja, der Donbass, Saporischschja und Cherson haben ein Referendum zum Anschluss an die Russische Föderation abgehalten und haben Verträge mit der Russischen Föderation geschlossen. Es sind auch Verträge zum Beistand bei einem Angriff auf diese Gebiete. Daraufhin hat der russische Präsident Wladimir Putin am 25. Februar 2022 Truppen in diese Gebiete geschickt. Russland nennt dieses Eingreifen eine Spezielle Militärische Operation.

Wer hat diese Gebiete seit 2014 bombardiert und beschossen? Es ist allgemein bekannt, es war die Ukraine. Nach dem Putsch 2013/14 auf dem Maidan haben diese Gebiete die Regierung nicht anerkannt. Das war der Anfang. Die Minsker Vereinbarungen wurden von der Ukraine nicht ansatzweise umgesetzt. Frau Merkel sagte in einem Interview mit der Zeit „Wir wollten der Ukraine Zeit geben“. Zeit für was? Zeit für Aufrüstung? Der Westen, Deutschland und die EU hätten interessiert sein müssen mit Russland in Frieden zu leben. Dazu gibt es viele Gründe, wirtschaftliche als auch politische. Deshalb ist auch Deutschland und die EU mitverantwortlich an der heutigen Situation. Die, die die Ukraine ermuntert haben, die Minsker Vereinbarungen nicht einzuhalten, waren die USA und Großbritannien. Deutschland und Frankreich waren zu schwach um dem entgegenzuwirken. Das sieht man an der neuen Geschichte, z. B. Sprengung der Gasleitungen Nord Stream I und II, bis heute keine Aufklärung.

Ja, die Ukraine hat die Separatisten bombardiert und beschossen. Laut UN Hyman Rights gab es von 2014 bis 2021 über 14.000 Tote und über 50.000 Verletzte. Das hat die Ukraine zu vertreten. Es haben etwa 3 Millionen Menschen aus den Gebieten Lugansk und Donezk das Land verlassen. Sie haben in Russland Zuflucht gefunden. Es gibt genügend Videos und Berichte von Frauen, Kindern und älteren Männern die in die Züge steigen. Davon redet Herr Scholz nicht. Er spricht nur von den Ukrainern, die unter anderem nach Deutschland gekommen sind.

Seit dem 24. Februar 2022 hat Deutschland die Ukraine bereits mit rund 28 Milliarden Euro unterstützt. In Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern werde ich immer wieder gefragt: Ist es richtig, dass wir der Ukraine so massiv helfen? Ich sage Ihnen ganz klar: Ja! Auch wenn wir die finanziellen Folgen natürlich spüren. Denn was wäre denn, wenn Putin mit seinem Feldzug tatsächlich Erfolg hätte? Wenn Grenzen in Europa einfach so mit Gewalt verschoben werden könnten? Die Folgen davon wären für uns viel teurer als unsere Unterstützung der Ukraine in ihrem Verteidigungskampf – und zwar in jeder Hinsicht. Putin will die Ukraine unterwerfen. Gelingt ihm das, dann ist das eben nicht die Rückkehr zum Frieden, dann ist das der Auftakt zur nächsten Aggression! In seinen eigenen Worten hat Putin immer wieder erklärt, dass seine Ziele viel weiter gehen. Wenn wir die Ukraine unterstützen, dann geht es also nicht nur um die Ukraine selbst. Dann geht es um die europäische Friedensordnung insgesamt – und darum, dass wir unsere eigene Freiheit bewahren.

Wir haben also die Ukraine mit 28 Milliarden Euro unterstützt! Wir haben die Ukraine in erster Linie Waffen geliefert. Zuerst Stahlhelme, dann Gewehre und Munition, dann den Flugabwehr-Panzer Gepard, die Panzerhaubitze Panzer 2000, Geschütze und Artilleriemunition. den Panzer Leopard mit Munition, Flugabwehrsysteme und Flugabwehr-Raketen, usw. usw. usw. … und nun vielleicht auch noch den Marschflugkörper Taurus. Wenn Taurus … dann ist die letzte rote Linie überschritten.

Wenn Herr Scholz die Bürger wirklich fragt nach ihrer Meinung, in Sachen Ukraine weiter Hilfe zu geben, dann frage ich mich wen er fragt. Er gibt sich selbst die Antwort auf diese Frage: „Ich sage Ihnen ganz klar: Ja“. Herr Scholz weiß, welche finanziellen Folgen diese Hilfe hat. Es fehlen Deutschland bereits 28 Milliarden und es werden weitere zig Milliarden sein, die Deutschland, also uns, fehlen werden.

Herr Scholz gibt der Ukraine also deshalb Hilfe, damit Herr Putin die Grenzen in Europa nicht einfach verschieben kann. Wenn Putin also die Ukraine unterworfen hat, dann folgt die nächste Aggression. Immer mehr deutsche, aber auch andere europäischen Politiker, warnen vor einem Angriff Russlands auf das Baltikum, auf Polen, und dann auf ganz Europa. Scheinbar müssen wir deshalb kriegstauglich werden.

Ist Herr Scholz wirklich der Meinung, dass Herr Putin Europa unterjochen will? Hat sein Verteidigungsminister ihn nicht darüber aufgeklärt, wieviel Millionen Soldaten und wieviel Gerät Herr Putin dazu bräuchte? Gut, das weiß er nicht, also muss man diese Aussage nicht ernst nehmen. Die deutsche Geschichte hat doch bereits bewiesen, dass so etwas nicht möglich ist. Na ja, scheinbar hält man den russischen Präsidenten nicht für intelligent genug so etwas zu versuchen. Putin hat immer wieder betont, dass er diese Absicht nicht hat. Putin weiß, dass er seine Soldaten für so eine Idee, die die Europäer ihm unterstellen, nicht opfern will. Ihm genügt sein bestehendes Russland. Wir müssen also nicht um unsere Freiheit bangen, Herr Scholz ist da anderer Meinung. Das ist sein gutes Recht. Sagt er das nur um uns alle Angst vor Russen zu machen? Der Russe kommt! Als Kind hat man uns Angst gemacht mit „Die Chinesen kommen“!

Deswegen war mir eine große Freude, den ukrainischen Staatspräsidenten Wolodymyr Selenskyj hier in Berlin zu begrüßen. Und deswegen freue ich mich sehr, dass wir beide unsere Unterschrift unter eine sehr wichtige gemeinsame Vereinbarung setzen konnten. Mit diesem Abkommen sagt Deutschland fest zu: Wir werden die Ukraine langfristig weiter unterstützen. Deutschland wird der Ukraine weiterhelfen, dass sie sich selbst gegen russische Angriffe schützen und verteidigen kann.

Hier stelle ich mir die Frage: Ist die Entscheidung, die Ukraine zu unterstützen und auch weiter zu unterstützen, in der deutschen Regierung gefallen? War es die EU, oder sogar die NATO? Wenn es die NATO war, dann sind es die Vereinigten Staaten von Amerika. Denn die USA sind der Führer der NATO, sie sagen wo es lang geht.

Wir unterstützen militärisch – indem wir Waffen liefern und ukrainische Soldaten ausbilden. Auch, indem wir der ukrainischen Verteidigungsindustrie helfen, sich so zu modernisieren, dass sie ihr Land noch besser schützen kann.

Wenn wir den Marschflugkörper Taurus liefern, spätestens dann befinden wir uns im Krieg mit Russland. Denn diesen Taurus können die Ukrainer nicht selbst bedienen oder abwurffähig machen. Dazu brauchen sie deutsches Personal. Sind das dann Mitarbeiter der Taurus GmbH, oder sind das dann deutsche Soldaten?

Das heißt doch auch, dass wir in der Ukraine eine Rüstungsindustrie aufbauen wollen. Herr Scholz spricht das aus, was die Spatzen von den Dächern pfeifen: Rüstungskonzerne, wie Rheinmetall, wollen in der Ukraine Munitionsfabriken bauen und betreiben. Hier in Großenhain (Sachsen) war das Rheinmetall scheinbar zu teuer und politisch nicht machbar.

Gleichzeitig ist ganz klar: Es wird in diesem Krieg keine deutschen Soldaten in der Ukraine geben. Dieses Abkommen bedeutet nicht, dass Deutschland eine Partei des Krieges wird.

Nun spricht Olaf Scholz es endlich aus: „Es wird in diesem Krieg keine deutschen Soldaten in der Ukraine geben“. Es ist also Krieg! Wie kann es sein, wenn wir an eine Kriegspartei Waffen liefern, dass wir uns nicht zur Kriegspartei machen? Wir reden uns doch mit Hilfe von einigen Staatsrechtler heraus, dass wir uns, wenn wir Waffen liefern, noch lange nicht im Krieg befinden oder Kriegspartei sind. Wir stehen also nur zu Seite und schauen interessiert zu, wie der Krieg sich entwickelt? Wenn es dann, nach unserer Meinung oder der, der USA wichtig erscheint, dann „unterstützen“ wir die Kriegspartei, die uns genehm ist? Welch eine Logik!

Natürlich schauen wir auch in die Zukunft: Nach einem möglichen Kriegsende werden wir uns weiter eng mit der Ukraine abstimmen, um erneuten russischen Angriffen schnell entgegnen zu können. Und wir gehen in dem Abkommen über das rein Militärische hinaus. Auch unsere zivile Unterstützung haben wir geregelt – etwa für den Wiederaufbau der Energie-Infrastruktur in der Ukraine.

Wie? Nach einem möglichen Kriegsende? Es ist ein Kriegsende in Sicht. Entweder Ende September oder Ende 2024. Bis dahin wird Russland die Gebiete Charkow und Odessa entmilitarisiert haben. Es werden wieder zigtausende Menschen sterben oder verwundet werden. Auch deshalb, weil wir in dieser Zeit noch mehr Waffen liefern.
Wenn dann das „mögliche Kriegsende“ eingetreten ist, dann werden wir der Ukraine dabei helfen, um erneuten russischen Angriffen „schnell entgegnen“ zu können, über das „militärische“ hinaus. Herr Scholz, der Krieg ist dann zu Ende! Wir liefern dann keine Waffen mehr! Wir haben dann nichts mehr zu sagen! Herr Putin verhandelt dann mit den USA, nicht mit den Europäern! Auch nicht mit Ihnen Herr Scholz! Wie sagen Sie immer: Das ist ganz glasklar!

Wir werden dann in der Ukraine keine Energie-Infrastruktur aufbauen. Das Geschäft mit dem Wiederaufbau werden andere machen. Allen voran US-Unternehmen. Sie kaufen oder pachten für wenig Geld jetzt schon Unternehmen und große landwirtschaftliche Flächen. Wir können dann, wie in der Vergangenheit anstatt Waffen, Euro überweisen. Die Gewinne aus dem Wiederaufbau, der stattfinden wird, diese Gewinne werden andere einstreichen. Oder, Herr Scholz, haben Sie dazu andere Informationen?

Im Gegenzug verpflichtet sich die Ukraine, ihren Reformkurs entschlossen fortzusetzen. Da geht es um starke demokratische Institutionen und den Kampf gegen Korruption. Auch dabei können sich die Ukrainerinnen und Ukrainer auf unsere Unterstützung verlassen. Es ist gut, dass viele weitere Partner in Kürze ähnliche Vereinbarungen schließen werden – oder das schon getan haben.

Wenn ich mich recht erinnere, hatte sich die Ukraine doch schon vor langer Zeit verpflichtet den verlangten Reformkurs einzuschlagen und die Korruption zu bekämpfen. Beides ist doch nicht geschehen. Unter Selenskij gab und wird es keine Reformen geben. Er hat wegen des Krieges sogar die anstehenden Wahlen auf unbestimmte Zeit verschoben. Nach der Datenbank von STATISTA war die Ukraine 2013 in der Korruptions-Statistik auf Platz 144, und hat sich 2023 auf Platz 104 geschönt verbessert. Das ist allerdings der Wert einer „wahrgenommenen Korruption“. Welch eine Verbesserung! Scheinbar haben wir in der Vergangenheit und in der Gegenwart wenig auf die Ukraine, bzw. auf ihre führenden Politiker eingewirkt. Aber wir haben ja Waffen geliefert. Das hat scheinbar ihre Moral zur Korruption verbessert.

Ja, außer uns haben nur noch Großbritannien mit der Ukraine diese Vereinbarungen getroffen. Großbritannien hat diese Vereinbarung mit Wirkung sogar zu Wasser und in der Luft getan. Sie haben Selenskij im April 2022 verboten die ausgehandelten Friedensvereinbarungen zu unterschreiben. Dafür hat Großbritannien auch Waffen geliefert. Welch ein Fortschritt, Friedensvereinbarung gegen Waffenlieferung. Boris Johnson soll damals der Überbringer der Botschaft gewesen sein.

So senden wir, zwei Jahre nach Beginn dieses entsetzlichen Krieges, eine glasklare Botschaft an die Ukraine – und zugleich eine glasklare Botschaft an den russischen Präsidenten: Wir werden in unserer Unterstützung für die Ukraine nicht nachlassen. Wir werden weiter fest an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer stehen.

Wieder eine der „glasklaren Botschaften“ unseres Kanzlers Olaf Scholz! Ja, man muss dem russischen Präsidenten schon „glasklar“ sagen, zu was wir fähig und auch willens sind. Herr Putin versteht das scheinbar sonst nicht. Wie sonst kann Bundeskanzler Olaf Scholz Herrn Putin veranlassen und überzeugen, sich hinter die Linien vor dem 24. Februar 2022 zurückzuziehen und die Krim an die Ukraine zu übergeben? Nun wird sich Herr Wladimir Putin, der Präsident und Oberbefehlshaber des größten Landes und eines der reichsten Länder unserer Erde, sich wohl überlegen welche weiteren Schritte er unternimmt. Glasklar!

Das war aus KANZLER KOMPAKT

Energiewende… warum? Weil sich das Klima ändert? Das Klima hat sich schon immer geändert! Muss sich deshalb die Energie wenden? Ist Energie nicht die Voraussetzung für das Leben heute und in der Zukunft?

Energiewende bedeutet doch, dass Politiker entschieden haben, die Technik zur Energieerzeugung, also Erzeugung von elektrischem Strom, in eine andere Technik zu ändern.

Diese Änderung hat schon vor Jahren begonnen. Streng genommen bereits in den 1970ern. Damals war der Grund die bestehenden, noch in Betrieb zunehmenden und noch geplanten Kernkraftwerke. Die Atomkraftwerke waren für einige politischen Gruppierungen nicht sicher genug, die Entsorgung des Atommülls war derzeit nicht einmal in Sicht, was auch heute nicht geregelt ist.

1971 Anti-Atom Bestseller

Holger Strom veröffentlicht 1971 die Flugschrift “Friedlich in die Katastrophe: Eine Dokumentation über Atomkraftwerke”. Bis heute gilt das Buch als die „Bibel der Anti-Atom-Bewegung“.

1977 erscheint Robert Jungks „Der Atom-Staat. Vom Fortschritt in die Unmenschlichkeit“. Das Buch wird ebenfalls zum Bestseller. Jungk hält die friedliche Nutzung der Atomkraft für eine Illusion. Wer die Technik hat, sagt er, kann damit auch Atomwaffen herstellen.

Mit seiner Warnung bleibt Jungk nicht allein. Ähnlich argumentieren auch die Sozialdemokraten, als 1987 im Bundestag über die Atomenergie debattiert wird.

February 18, 1973 Whyl Demonstrationen

Mitte der 1970er Jahre besetzen Landwirte und Anti-Atom-Aktivisten im Whyler Wald nahe Freiburg die Baustelle für das Atomkraftwerk Whyl. Nach langem Hin und Her gibt Baden-Württembergs Landesregierung 1983 die Pläne endgültig auf. Der ehemalige Bauplatz ist heute Naturschutzgebiet.

Bis in die 1980er Jahre hinein treibt Deutschland seine Atomausbau-Pläne weiter voran (siehe Grafik).

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Foto: „Heute Fische – morgen wir“ heißt es auf dem Transparent. Die Aufschrift erregte am meisten Aufsehen und wurde zur stehenden Redewendung.

1976 „Weichen“ Energiesystemen

Der US-Energieexperte Amory Lovins veröffentlicht in dem Debattenmagazin „Foreign Affairs“ den beachteten Essay „Energy Strategy: The Road not Taken?“, der den Befürwortern einer Energiewende starke Argumente an die Hand gibt. Lovins unterscheidet zwischen „harten“ und „weichen“ Energiesystemen und ruft zur Abkehr vom bisherigen „harten“ System einer zentralisierten Energieversorgung auf, die auf dem Einsatz fossiler Energien und Atomkraft beruht (obere Grafik: Kohle, Öl und Gas, Atom).
An ihre Stelle sollen „weiche Technologien“ wie die Erneuerbaren treten (untere Grafik: Kohle, Öl und Gas, „weiche Technologien“). Dadurch kann, so Lovins, auch die Verbreitung von Atomwaffen praktisch beendet werden.
Lovins äußert sich erfreut über Effizienzsteigerungen bei der Verbrennung von Kohle, plädiert jedoch für einen Ausstieg aus Kohle, Öl, Gas und Atomkraft bis 2025 in den USA. Tatsächlich kommen die Vereinigten Staaten Lovins‘ Ideen schon recht nahe, zumindest was die Effizienz betrifft. Ihr Energieverbrauch steigt trotz Wirtschaftswachstum inzwischen nicht mehr an.

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Aus Foreign Affairs

1977 Amory Lovins Buch

1977 legt Lovins nach und veröffentlicht das Buch „Soft Energy Paths: Towards a Durable Peace“ (keine Werbung dafür), in dem er die Vorteile eines „weichen“ Wegs noch deutlicher herausstellt. Der Ölpreisschock wenige Jahre zuvor war nur ein Vorgeschmack auf die in Zukunft weiter steigenden Rohstoffpreise, argumentiert Lovins. Bei den besonders umstrittenen Energieträgern Kohle und Atom werden zudem hohe politische und gesellschaftliche Kosten fällig, mit Massenprotesten und Widerstand.
Deutsche Anti-Atom-Aktivisten, die Lovins‘ Bücher bei Aufenthalten in den USA kennengelernt haben, greifen seine Argumente auf: Wer auf Atomkraft verzichtet, verhindert damit auch die Verbreitung von Atomwaffen und sorgt für mehr Sicherheit in der Welt. Das Buch „Soft Energy Paths“ ist immer noch im Handel erhältlich.

1979

Zu diesem Thema hat z. B. 1979 der Landesparteitag der SPD Schleswig-Holstein einen Leitantrag Engergiepolitik gestellt.
(Veröffentlicht in: „Zur Sache“ Nr. 14, Dezember 1979 – Herausgeber SPD-Landesverband Schleswig-Holstein, auf drei Seiten DIN A4. Beschluss: Angenommen und Überweisung an Bundesparteitag).
In diesem Leitantrag habe ich das erste Mal von der „Energiewende“, von einem „Aktionsprogramm Energiewende“ gelesen. Damals war zu lesen von der „Abkehr von der Atomenergie, von den KKW, wirksamen Sparmaßnahmen, einer ausreichenden Versorgung mit Energie, um bestehende Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen. Aber auch Stein- und Braunkohle haben Priorität bei der künftigen Energieversorgung. Dabei ist sicherzustellen, dass auch die Gefährdungen, die von der Verbrennung fossiler Brennstoffe ausgehen, in die Forschung einbezogen werden. „Wissenschaftliche Gutachten“ zeigen uns neue und bessere Wege für feine wirkungsvolle Energienutzung und für zusätzliche umweltverträgliche Energiequellen. Eben ein Leitantrag mit Absicherungen nach allen Seiten.

1979 ‚Energiewende‘ im Bundestag

Helmut Kohl, damals noch CDU-Oppositionsführer im Bundestag, kritisiert das Energiewende-Papier der Schleswig-Holsteinischen SPD. Es ist das erste Mal, dass das Wort Energiewende im deutschen Parlament ausgesprochen wird (siehe Chart).
Bis Begriff und Konzept auf der höchsten politischen Ebene Einzug halten vergeht viel Zeit. Wer die Protokolle des Bundestags durchforstet, findet bis zur Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 nur drei Erwähnungen. Zwischen 1987 und 1990 fällt das Wort 24 Mal. Zum Allgemeingut wird der Begriff erst 2011, nach der Atomhavarie in Fukushima.

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„Energiewende im Bundestag“

1980 Energiewende Buch

1980 verfassen Florentin Krause, Hartmut Bossel und Karl-Friedrich Müller-Reissmann eine Studie (keine Werbung dafür) zur Energiewende, die das gerade neu gegründete Öko-Institut in Freiburg unter dem Titel „Energiewende – Wachstum und Wohlstand ohne Erdöl und Uran“ veröffentlicht. Die Anti-Atom-Aktivisten stützen sich auf die Ideen von Amory Lovins, die sie bei Aufenthalten in den USA kennengelernt haben. In ihrem Buch fordern sie eine neue Strategie für Deutschlands Energieversorgung: Energieeffizienz und die Abkehr von Atomkraft und Ölimporten zugunsten der Erneuerbaren.

Der Anfang der 1970er Jahre eingerichtete Umweltrat der Bundesregierung greift die Studie 1981 in seinem Gutachten auf. Die Sachverständigen verweisen außerdem auf das „CO2-Problem“, das zum Treibhausgaseffekt führt.

1983 Die Grünen erstmals in Bundestag

Die Grünen ziehen 1983 erstmals in den Bundestag ein. Die Partei war drei Jahre zuvor gegründet worden, unter anderem aus der Anti-Atom-Bewegung heraus. Mit den Grünen zieht auch das Wort „Energiewende“ in den parlamentarischen Alltag ein. Bei einer Bundestagsdebatte im Juni 1986, wenige Wochen nach Tschernobyl, fordern die Grünen eine „Energiewende“ und eine Energieversorgung „ohne Atomkraft“, um in Zukunft weitere Katastrophen zu verhindern. In einer Debatte 1987 kritisiert die FDP, die damals mit der Union die Regierung stellt, die grünen Forderungen nach einem Atomausstieg – mit Hinweis auf die Risiken des Klimawandels. 1998 werden die Grünen Juniorpartner in der rot-grünen Koalition von Kanzler Gerhard Schröder.

April 26, 1986 Reaktorkatastrophe von Tschernobyl

Ende April 1986 explodiert Block 4 des Atomkraftwerks Tschernobyl in der damaligen Sowjetunion. Die Katastrophe führt weltweit zu einer Diskussion über die Sicherheit von Atomanlagen. Europa erlebt in den folgenden Jahren einen starken Rückgang beim Neubau von Kernkraftwerken. Deutschland hat zu diesem Zeitpunkt allerdings längst aufgehört, weitere Atomkraftwerke zu bauen. Der jüngste Reaktor des Landes, Neckarwestheim 2, ging schon Jahre zuvor, im November 1982, in Bau.

Tschernobyl markiert einen Wendepunkt – und bringt der Anti-Atom-Bewegung großen Zulauf. Die Kernkraft verliert ihr Image als saubere Energie. Die Öffentlichkeit reagiert schockiert, als die Behörden schwangeren Frauen raten, besser nicht nach draußen zu gehen, um sich nicht radioaktiver Belastung auszusetzen. Selbst für unbedenklich erklärte Lebensmittel bleiben in den Supermärkten liegen. Große Mengen an Gemüse und Milchprodukten müssen vernichtet werden.

Juni 1986 Tschernobyl Flugblätter

Unzählige Anti-Atom-Flugblätter werden in diesen Jahren verteilt. Die Schrift „Tschernobyl: Was ist passiert? Was müssen wir wissen? Was können wir tun?“ beispielsweise fordert eine Zukunft, in der es neben den Erneuerbaren nur noch Kohlekraftwerke gibt. Öl, Gas und Atom bleiben außen vor. Zugleich soll der Energieverbrauch in weniger als 20 Jahren auf nur noch gut die Hälfte fallen, wobei Kohle rund ein Drittel mehr beitragen soll als die grünen Energien.

(siehe Foto: „Der Energiefluß der Bundesrepublik Deutschland“. Die Schrift beziffert den Energiebedarf für 1983 auf 312 Einheiten, die vor allem durch fossilen Energien und Atomkraft gedeckt werden. Bis zum Jahr 2000 soll der Verbrauch auf nur noch 173 Einheiten fallen, wobei „Erneuerbare Energiequellen“ 73 Einheiten liefern sollen und Kohle 100 Einheiten.)

August 11, 1986 Der Spiegel, Titelgeschichte

“Der Spiegel” bringt im August 1986 eine Titelgeschichte über “Die Klima-Katastrophe”. Das Nachrichtenmagazin zeigt auf seinem Cover den Kölner Dom, der schon zur Hälfte unter Wasser steht, und schreibt: „Ozon-Loch, Pol-Schmelze, Treibhaus-Effekt: Forscher warnen“. Es ist das erste Mal, dass der Klimawandel in der öffentlichen Debatte in Deutschland so prominent zum Thema gemacht wird.

Schon im Dezember 1985 hatte der Arbeitskreis Energie der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) in einer Pressemitteilung vor einer „drohenden Klimakatastrophe“ gewarnt. Allerdings schwächte die DPG ihre Warnung kurz darauf ab und sprach nur noch von „drohenden Klimaänderungen“.

Bemerkung von mir: Auf diesen Artikel bin ich in einem Buch aufmerksam gemacht worden. Der Autor, Hartmut Bachmann, des Buches „Die Lügen der Klima-Katastrophe … und wie der Staat uns damit ausbeutet“, hat diesen Artikel in Amerika gelesen. Scheinbar kannte er Rudolf Augstein. In diesem Buch gibt er auf Seite 110 sein Telefongespräch am 02. September 1986 mit Rudolf Augstein wieder:

Ich bat meine Sekretärin, eine Telefonverbindung nach Hamburg herzustellen, um Rudolf Augstein, den Boss vom Magazin DER SPIEGEL zu suchen. Endlich hatte ich ihn an der Strippe und fragte ohne große Einleitung:
„Was hast dur dir den dabei gedacht?“
„Wobei gedacht?“
„Na beim Ersäufen des Kölner Doms.“
„Aufwecken, munter machen.“
„Und Angst machen“ antwortete ich.
„Ohne Angst der Massen gibt es keine Bewegung der Massen.“
Ich antwortete:
„Deine Aktion wird Folgen haben.“
Augstein:
„Hoffentlich. Wenn du was für mich hast, ruf durch.“

Diese Ausgabe des Spiegels habe ich mir im Spiegel-Antiquariat im Original für 22 Euro besorgt.

1987 Erste Klimaziele

Schon 1978 macht das Umweltgutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) auf die „anthropogenen Veränderungen von Klima und Lebensbedingungen“ aufmerksam. Fast zehn Jahre vergehen, bis sich die Politik mit der Frage beschäftigt, wie man den Gefahren begegnen soll. 1987 setzt der Bundestag die Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ ein. In ihrem Abschlussbericht empfiehlt die Kommission, die Emissionen bis 2005 um 30 Prozent im Vergleich zu 1987 zu senken.

Von dem Moment an steigt der Gebrauch des Wortes „Klimaschutz“ im Bundestag dramatisch an (siehe Chart).

Gebrauch des Wortes Klimaschutz im Deutschen Bundestag

1990 Deutschland nimmt Emissionsziele an

1990 beschließt die Bundesregierung ein Reduktionsziel von 25 bis 30 Prozent bis 2005, mit dem Basisjahr 1987. Auch die damalige Europäische Gemeinschaft gibt sich kurz darauf ein Klimaziel. Allerdings fällt es deutlich schwächer aus: die Emissionen sollen bis 2000 auf dem Niveau des Jahres 1990 stabilisiert werden.

Tatsächlich kann Deutschland seine Emissionen bis 2005 um 23 Prozent unter den Ausstoß von 1987 drücken. Ein Großteil der Reduktion ist jedoch Resultat des Zusammenbruchs der ostdeutschen Industrien im Zuge der Wiedervereinigung.

Die Empfehlungen der deutschen Klima-Enquete-Kommission von 1987 gelten als entscheidender Impulsgeber für den weltweiten Klimaschutz. Auch die berühmte Rede des Klimawissenschaftlers James Hansen 1988 vor dem US-Kongress zu den Risiken der Erderwärmung gehört dazu, genauso wie die viel beachtete Klima-Rede der damaligen britischen Premierministerin Margaret Thatcher 1989 vor den Vereinten Nationen.

1991 Erste Einspeisegesetz

1991 führt die schwarz-gelbe Regierung von Kanzler Helmut Kohl Europas erstes Ökostrom-Einspeisegesetz ein, um den Ausbau erneuerbarer Energien zu fördern. Das Gesetz sichert den Erzeugern Zugang zu den Netzen und Mindestvergütungen, die sich nach den Durchschnittserlösen für Strom errechnen, wie sie zwei Jahre zuvor erzielt wurden. Dadurch entstehen erhebliche Schwankungen bei den Preisen. Viele Investoren reagieren verunsichert. Nur einige hundert Megawatt Windkapazität werden in den kommenden fünf Jahren zugebaut.

Mitte der 1990er Jahre schafft Deutschland, auf Geheiß des Bundesverfassungsgerichts, den „Kohlepfennig“ ab, mit dem der Abbau von Steinkohle subventioniert wurde. Die Strompreise sinken – und damit auch die Einspeisetarife.

Das deutsche Modell der Einspeisetarife hat viele Nachahmer gefunden. Und es ist vereinbar mit den Wettbewerbsregeln der EU, erklärt der Europäische Gerichtshof im Jahr 2000 in einem wegweisenden Urteil.

October 20 1998 Rot-grüne Koalition

Bei den Bundestagswahlen 1998 wird die Kohl-Regierung von Sozialdemokraten und Grünen abgelöst. In ihrem Koalitionsvertrag verständigen sich beide Parteien auf eine „ökologische Modernisierung“, die neue Jobs schaffen und zugleich die Umwelt schützen soll.

Die rot-grünen Pläne umfassen eine ökologische Steuerreform, die stärkere Förderung der Erneuerbaren und ein Verkehrskonzept, das die Schiene gegenüber der Straße stärken soll. Auch ein Atomausstieg ist geplant – und zwar „so schnell wie möglich“.

June 14, 2000 Atomkonsens

Nach harten Verhandlungen einigt sich die rot-grüne Regierung im Juni 2000 mit den Energiekonzernen auf einen „Atomkonsens“, der eine Laufzeitbefristung auf 32 Jahre seit Inbetriebnahme vorsieht. Zu diesem Zeitpunkt bezieht Deutschland 30 Prozent seines Stroms aus Atomkraftwerken. Bis 2006 bleibt dieser Anteil in etwa konstant. Nur zwei kleinere Reaktoren gehen in den 2000er Jahren vom Netz (siehe Grafik).

Im selben Jahr beschließt Rot-Grün außerdem das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Es führt ein Vorrangprinzip für Ökostrom ein und hebt die Vergütungssätze teils spürbar an. Der Abnahme-Preis ist – abhängig von der eingesetzten Technologie – für den Netzbetreiber 20 Jahre lang bindend. Bis 2010 soll sich der Anteil regenerativ erzeugten Stroms in Deutschland, der im Jahr 2000 erst bei 6,6 Prozent lag, verdoppeln. Das Ziel wird mehr als erreicht: 2010 liegen die Erneuerbaren bei der Stromerzeugung schon bei 17 Prozent. Das EEG wird mehrfach novelliert – 2004, 2009, 2012 und 2014. Die jüngste Reform aus dem Jahr 2016 wird Anfang 2017 in Kraft treten.

September 27, 2009 Merkel belebt Atom wieder

Nach den Bundestagswahlen 2009 kann Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die bisherige Große Koalition mit der SPD beenden und nun mit ihrem Wunschpartner FDP regieren. In dem Koalitionsvertrag, den Schwarz-Gelb wenige Wochen vor der entscheidenden Weltklimakonferenz in Kopenhagen beschließt, bekennen sich beide Parteien ausdrücklich zum Neubau „hocheffizienter Kohlekraftwerke“.

Für die bestehenden Atomkraftwerke beschließt Schwarz-Gelb eine Laufzeitverlängerung, hält aber am bisherigen Neubauverbot fest. Kernenergie wird im Koalitionsvertrag als wichtige Brückentechnologie beschrieben. „Andernfalls werden wir unsere Klimaziele, erträgliche Energiepreise und weniger Abhängigkeit vom Ausland nicht erreichen.“

Die Laufzeitverlängerung, auf die sich die Merkel-Regierung schließlich mit den Atomkonzernen einigt, bringt Deutschlands Reaktoren ein durchschnittliches Plus von zwölf Jahren. Der letzte Block soll frühestens 2036 vom Netz gehen. Im Gegenzug müssen die Konzerne künftig eine Brennelementesteuer zahlen. Die Einnahmen sollen der Forschung für Speichertechnologien und Energieeffizienz zugutekommen.

September 2010 Energiekonzept 2050

2010 legt Merkels Regierung das “Energiekonzept 2050“ vor. Es ist als „Fahrplan“ gedacht, „der Schritt für Schritt den Weg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien beschreibt“. Der deutsche Treibhausgasausstoß soll bis 2020 um 40 Prozent sinken, bis 2030 um 55 Prozent und bis 2050 um 80 bis 95 Prozent, jeweils im Vergleich zu 1990 (siehe Charts). Das Wort „Energiewende“ taucht in dem 40-seitigen Papier kein einziges Mal auf.

Das Konzept bezeichnet die Erneuerbaren als „eine tragende Säule zukünftiger Energieversorgung“. Deutschlands Gesamtenergiebedarf soll 2030 zu 30 Prozent von ihnen gedeckt werden, 2040 zu 45 Prozent und 2050 zu 60 Prozent. Bei der Stromversorgung ist ein Erneuerbaren-Anteil von 35 Prozent bis 2020 angepeilt, 50 Prozent bis 2030, 65 Prozent bis 2040 und 80 Prozent bis 2050. Allerdings lag der Anteil 2015 schon bei 33 Prozent (siehe Chart).

Der Energieeffizienz schreibt das Papier eine Schlüsselrolle zu. Bis 2050 soll der Energieverbrauch im Vergleich zu 2008 halbiert werden. Die Kernenergie wird abermals als „Brückentechnologie“ bezeichnet, die für einen „Übergangszeitraum“ benötigt wird.

March 11, 2011 Fukushima Tsunami

Am 11. März 2011 löst ein Erdbeben der Stärke 9 vor Japans Küste einen Tsunami aus. Eine 15 Meter hohe Welle trifft das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi. In drei der sechs Reaktoren kommt es zu einer Kernschmelze.

Nur drei Tage später vollzieht Kanzlerin Merkel die atompolitische Kehrtwende und verkündet ein „Atom-Moratorium“. Alle 17 deutschen Atomkraftwerke werden für drei Monate einer Sicherheitsprüfung unterzogen, die acht ältesten Reaktoren abgeschaltet. Insgesamt wird eine Kapazität von 8,4 Gigawatt vom Netz genommen. Die gerade beschlossene Laufzeitverlängerung wirft Merkel über den Haufen. Nun soll doch schon 2022 mit der Atomkraft Schluss sein. Damit kehrt Deutschland praktisch zum rot-grünen Ausstiegsbeschluss zurück. Im Bundestag stimmt eine breite Mehrheit für den neuerlichen Atomausstieg.

Flankiert werden die Beschlüsse mit Gesetzen zum weiteren Ausbau von Grünstrom, einem beschleunigten Netzausbau und der Gründung eines nationalen Klima- und Energiefonds. Bei den Projekten kommt es in der Folgezeit allerdings zu Verzögerungen.

2011 Merkel nimmt Energiewende für sich ein

Nach Fukushima treten Merkels konservative Christdemokraten als Energiewende-Vertreter auf, als hätten sie das Konzept höchstpersönlich erfunden. Es ist ein klassisches politisches Manöver, um dem politischen Gegner die Themen aus der Hand zu nehmen.

Googles Analyse über die Verwendung bestimmter Suchbegriffe zeigt nach Fukushima einen massiven Anstieg beim Begriff „Energiewende“ (siehe Chart). Trotz seiner langen Geschichte bringen viele Bürger das Wort inzwischen mit Merkel in Verbindung.

Google Trends

December 17, 2013 Koalition bestätigt Abwicklung der Atomenergie

Aus den Bundestagswahlen 2013 geht wieder eine Große Koalition aus Merkels CDU, der Schwesterpartei CSU und den Sozialdemokraten hervor. Ihr Koalitionsvertrag sieht einen Atomausstieg „spätestens“ bis 2022 vor. Die Treibhausgasemissionen sollen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden.

Der Ausbau der Erneuerbaren soll sich künftig in festgelegten „Korridoren“ bewegen, was auf eine Deckelung hinausläuft. Beim Erneuerbare-Energien-Gesetz sind tiefgreifende Reformen geplant. Über Ausschreibungen soll künftig festgelegt werden, wie hoch die Einspeisevergütung ausfällt. Im Juli 2016 beschließt der Bundestag die EEG-Novelle. Anfang 2017 tritt sie in Kraft.

December 3, 2014 Aktionsprogramm Klimaschutz 2020

Im Dezember 2014 beschließt das Bundeskabinett das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020. Das Maßnahmenpaket soll dazu führen, dass Deutschland doch noch sein Ziel erreicht, seine Emissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Andernfalls würde das Ziel „um fünf bis acht Prozentpunkte verfehlt“, heißt es im Umweltministerium.

An die 80 Millionen Tonnen CO2 soll das Programm zusätzlich einsparen helfen. Den Löwenanteil sollen Energieeffizienzmaßnahmen bringen. Doch auch Deutschlands Stromwirtschaft soll rund ein Viertel davon beisteuern. Auch der Landwirtschaft und dem Verkehrssektor soll ein Beitrag abverlangt werden. Bis 2020 will die Bundesregierung eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen sehen.

Die Pläne treffen auf großen Widerstand. Sogar die Gewerkschaften machen gegen die von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel vorgeschlagene Abgabe auf alte Kohlekraftwerke mobil. Im Juli 2015 liegt ein weichgespülter Kompromiss auf dem Tisch, der die Klimaziele für 2020 erneut in Frage stellt. Ausgerechnet Braunkohlekraftwerke sollen nun als „Kapazitätsreserve“ dienen.

June 25, 2015 Klimaschutzplan 2050

Im Juni 2015 startet die Bundesregierung einen Bürgerdialog für einen nationalen Klimaschutzplan 2050. Bis März 2016 gehen von Verbänden und Bevölkerung hunderte Vorschläge ein, von einer Kohlenstoffsteuer bis zum Kohleausstieg, einem Tempolimit auf Autobahnen oder einer Besteuerung, die sich nach dem Ausstoß von Klimagasen bemisst.

Das Umweltministerium fasst die Ideen in einem Entwurf zusammen, der im Mai 2016 an die Öffentlichkeit gelangt. Das Papier sieht vor, die Verbrennung von Kohle „deutlich vor 2050“ zu beenden. Verkehr, Landwirtschaft und Wärme werden mit eigenen Reduktionszielen adressiert.

March 23, 2016 Baake plädiert für einen Ausstieg aus Kohle

In Gastbeiträgen im britischen „Guardian“ und in der deutschen Wochenzeitung „Zeit“ fordert Rainer Baake, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft und Energie, im Frühjahr 2016 eine „Exit-Strategie“ für die fossilen Energien.

„Unsere Produktion und unser Konsum müssen CO2-neutral werden“, schreibt Baake, „und die Industriestaaten müssen dabei vorangehen.“ Baake plädiert für einen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas „bis spätestens 2050“. Das schaffe „qualitatives Wachstum und Beschäftigung“. Auf neue Kohlekraftwerke und Tagebauerweiterungen „sollten wir daher verzichten“.

June 29, 2016 Klimaschutzplan lässt Kohleabwickeln fallen

Im Juni 2016 dringt ein neuer Entwurf des Klimaschutzplans 2050 an die Öffentlichkeit. Vom Kohleausstieg, der in der ursprünglichen Fassung noch „deutlich vor 2050“ gefordert wurde, ist nun keine Rede mehr.

Das Reduktionsziel für den Verkehrssektor bis 2030 ist gestrichen und wurde durch schwammige, unverbindliche Formulierungen ersetzt. Der erste Entwurf hatte noch vorgesehen, dass die Verkehrsemissionen bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 2005 sinken sollen.

Auch die zunächst vorgesehenen Ziele für Industrie, Wärmesektor und Landwirtschaft wurden fallengelassen, nachdem Industrievertreter Druck gemacht hatten, wie Clean Energy Wire berichtet. Umweltverbände üben heftige Kritik an dem verwässerten Entwurf, der am 8. September vom Umweltministerium veröffentlicht wird.

October 2016 Kabinett zeichnet Kilmaschutzplan 2050 ab?

Noch vor der parlamentarischen Sommerpause, die am 8. Juli beginnt, will das Bundeskabinett den Klimaschutzplan 2050 verabschieden. Doch der Termin wird nicht eingehalten. Am 21. Juni erklärt das Umweltministerium, man brauche mehr Zeit, um die Vorschläge der anderen Ministerien zu berücksichtigen.

Laut Ministerin Hendricks soll der Klimaplan Anfang November im Kabinett verabschiedet werden. Eine Einigung auf einen Kohleausstieg dürfte bis nach den Bundestagswahlen 2017 verschoben werden: Eine Aktennotiz aus Merkels Büro bezeichnet das Thema als „politisch sensibel“.

Nachzulesen auf Carbon Brief
https://www.carbonbrief.org/zeitliste-vergangenheit-gegenwart-zukunft-deutschen-energiewende

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