Olaf Scholz´ Aufstieg
Der Aufstieg des Olaf Scholz
Denn wir müssen per gradus emporsteigen, auf einer Treppe zu andern Stufen; keiner wird auf einen Hieb der Erste
Martin Luther
Ende Aufstieg – das war der letzte Satz in meinem Beitrag vom 14. Mai 2023. Damals war Olaf Scholz Bundeskanzler.
Ich habe mich gefragt: Wie kam es zu diesem Aufstieg, vom Oberbürgermeister der Hansestadt Hamburg zum Finanzminister im Kabinett Merkel IV, zum Bundeskanzler? Wer war „Die, der oder wer waren Die“, die dazu beigetragen haben? Es ist doch immer so, dass jemand dazu beiträgt, wenn jemand aufsteigt oder aufgestiegen wird. Gerade in der Politik steigt niemand allein aus eigener Kraft auf. Es ist aber auch so, dass dem Aufstieg des Einen, der Abstieg eines Anderen vorausgeht.
Um die Zusammenhänge zu erkennen, muss man in die Vergangenheit zurück gehen. So habe ich mich in der SPD, zu den damaligen Geschehnissen umgesehen. Und siehe da, mir ist das Jahr 2015 aufgefallen. Als Folge der Ereignisse der Jahre 2015 bis 2021 ist meine Meinung zum Aufstieg des Herrn Olaf Scholz zum Bundeskanzler entstanden. Ich kann mich irren, meine Meinung dazu schreibe ich aber trotzdem, ich brauche mir meine Meinung nicht verbieten lassen. Die Meinungsfreiheit ist in Art. 5 unseres Grundgesetzes gewährleistet, oder gilt unser Grundgesetz heute nicht mehr? Ich beleidige mit meiner Meinung niemand. Nun, alles der Reihe nach, steigen wir in das Jahr 2016 ein.
Was war 2016 geschehen? Am 24. November 2016 kündigte Herr Martin Schulz seinen Wechsel in die Bundespolitik an. Herr Schulz wollte für eine weitere Amtszeit als Präsident des Europäischen Parlaments nicht mehr kandidieren, stattdessen auf Platz eins der Landesliste der SPD Nordrhein-Westfalen für die Bundestagswahl 2017. Am 29 Januar 2017 wurde Martin Schulz vom SPD-Parteivorstand einstimmig als Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl am 24. September 2017 nominiert. Am 19. März 2017 wählte der außerordentliche Bundesparteitag der SPD Martin Schulz zum Parteivorsitzenden und zum Kanzlerkandidaten. Es war das beste Ergebnis eines SPD-Parteivorsitzenden in der Nachkriegszeit: Abgegebene Stimmen 608, davon gültig 605, Ja-Stimmen 605, Nein-Stimmen 0, Enthaltungen 0, also mit 100 Prozent. Was wurde daraus? Um die weitere Entwicklung zu verstehen müssen wir in das Jahr 2015 zurückgehen.
Im Februar 2015 wurde in Minsk wegen der Ereignisse in der Ukraine über weitere Friedensabkommen verhandelt. Später gab es noch die Gespräche zu Minsk II. Bereits am 9. Februar 2015 hatte Günther Jauch zu einer Talkrunde eingeladen, mit dem Titel „Schicksalstage in Europa – Auf wen hört Putin noch?“. Gäste dieser Talkrunde waren Harald Kujat, Gabriele Krone-Schmalz, Martin Schulz und John Kornblum. Harald Kujat war lange Jahre Bundeswehr- und NATO-General, Gabriele Krone-Schmalz viele Jahre ARD-Korrespondentin in Moskau, Martin Schulz war damals Präsident des EU-Parlament und John Kornblum ein ehemaliger US-Botschafter in Deutschland. Also hochkarätige Gäste in Günther Jauchs Talkrunde. Das Thema war auch die Ukraine, wie man das bestehende Problem friedlich lösen könnte.
Alle Gäste haben sich an der Diskussion zu dem gegebenen Thema beteiligt. Ich gebe nun einige Kostproben der Teilnehmer im Originalton (1).
Martin Schulz: Wir alle wissen, Regierungschefs reisen nicht zu einem Termin, ohne mit einem Ergebnis wieder zurückkommen zu wollen. Deshalb glaube ich, und das ist auch an die Adresse all der Kritiker, die Diplomatie hat jetzt eine ganz große Chance.
Günther Jauch: Herr Kornblum, sehen Sie denn diese europäische Initiative ehe als Zeichen der Stärke oder Schwäche Europas?
John Kornblum: Nein, ein Zeichen der Stärke ist es nicht, aber man hat die Idee, dass man mit den jetzigen, mit den Situationen … ? … (das kann man schlecht verstehen), die wir alle vereinbart haben, nicht weiterkommt, und man versucht weiterzukommen.
Martin Schulz: Ich glaube, was wir in den letzten Stunden, muß man sagen, erlebt haben, eine Bemächtigung der Krise durch die Europäer ist. Europa zieht das Krisenmanagement auf seine Ebene. Die Initiative von Angela Merkel und Francois Hollande, stellvertretend für Europa, stellt eine Dialogplattform her zwischen Russland und Europa. Das ist nicht der Dialog Russland-USA, das ist der Dialog Russland-Europa…
John Kornblum über die Russen: Die Russen, mit denen wir damals gearbeitet haben, haben das Ende der Sowjetunion als eine Befreiung gesehen, nicht als eine Katastrophe. Sie wollten die Demokratie mit uns bauen. Und wir haben Institutionen aufgebaut für die Demokratie.
John Kornblum: Die Russen im allgemeinen, aber Putin, Putin wirklich, das weiß man, respektieren Stärke und nicht Nachgiebigkeit. Und sie haben auch, Putin hat auch fast ein, ich weiß nicht wie man sagt … eine eine Fixierung, will ernst genommen werden von den USA. Unsere einzige Möglichkeit, tut mir leid Herr Schulz, es ist wunderbar, dass Europa etwas macht, es wird nicht klappen, wenn die USA nicht voll stark da ist, und dass weiß Putin, dass er mit den USA handelt.
Marin Schulz: Ganz gegenteilige Meinung, es wird klappen, wenn die Europäer mit einem europäischen Nachbarn zu einem Abkommen kommen. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind nicht der Nachbar Russlands. Dieser Krieg findet auch nicht vor den Toren der Vereinigten Staaten von Amerika statt. Deshalb will ich das mal sagen, es ist ein europäisches Problem, und ich finde, die Vereinigten Staaten von Amerika müssen sich ein Stück zurückhalten. Die Äußerung von Präsident Obama, es handelt sich bei Russland um eine Regionalmacht ist, nebenbei bemerkt, falsch. Russland ist ein vetoberechtigtes Mitglied des Weltsicherheitsrates, ist bis an die Zähne atomar gerüstet. Ich frage mich worin liegt dann der Grund der Provokation. Ich glaube, es ist viel sinnvoller, die Europäer lösen das Problem untereinander.
John Kornblum: Es ist wunderbar, wenn Europa verhandelt. Aber im Endeffekt ist die Macht in Washington, und Putin weiß das ganz genau.
Diese Talkrunde hat gezeigt, wie die USA über uns, der Bundesrepublik Deutschland, der EU und Wladimir Putin, und damit über Russland denken. Hier war John Kornblum der Sprecher der USA. Mit seinem letzten Satz: „Es ist wunderbar, wenn Europa verhandelt. Aber im Endeffekt ist die Macht in Washington, und Putin weiß das ganz genau“, hat John Kornblum mit diesem Satz Martin Schulz unmissverständlich klargemacht, wer in der Welt das Sagen hat, als Fortsetzung der Monroe-Doktrin von 1823. Wir wissen heute, wer in der Ukraine, vorsichtig ausgedrückt, „Einfluss“ genommen hat, mit Geld und Waffen.
Martin Schulz sagt also, dass, wie das Ukraine-Problem von den Europäern und nicht von den USA gelöst werden soll. Die Reaktion des John Kornblum auf diese Meinung war eindeutig. In seinen Augen war dies eine Anmaßung, ein europäischer Spitzenpolitiker erlaubt sich ohne sich die Erlaubnis der USA einzuholen, eine eigene Meinung über US-amerikanische Außenpolitik zu haben, und diese dann auch noch in einer Talkrunde sehr deutlich zu vertreten. Martin Schulz hat sich damit gegen das sich im Sinkflug befindliche US-Imperium aufgelehnt.
Wenn ich die weiteren Ereignisse betrachte, hat Martin Schulz mit diesen seinen Äußerungen keine Bonus-Punkte erhalten. Über seine politischen Vorstellungen zu Europa und zu Deutschland wurde in der Zeit bis zur Wahl im September 2017 viel geschrieben. Seine Vorstellungen zu Europa haben mit Sicherheit den USA, und damit der NATO, nicht geschmeckt. Martin Schulz wurde auch persönlich angegriffen. Das ist auch etwas, was dann vorkommt, wenn jemand in Misskredit gerät, er wird zum Abschuss freigegeben. Zu einem NATO-Thema hat sich der Publizist Christoph Hörstel am 20. April 2022 geäußert: „… das heißt, es geht mal um die Ausbildung. Es wird keiner in Deutschland Oberst, wo die Amerikaner nicht genickt haben. Und so machen die das mit allen Völkern, nur nicht so hart und harsch wie bei uns, weil wir Kolonie sind, aber bei den anderen auch“. Ich sehe darin eine Parallele bei unseren Bundespräsidenten, Bundestags-Präsidenten, bei den Bundeskanzlern, vielleicht auch schon bei den Bundestags-Abgeordneten. Es wird ja immer wieder von der „Kanzlerakte“ geschrieben. Es soll einen geheimen Staatsvertrag vom 21.05.1949 geben (2). In diesem Vertrag soll die Medienhoheit der Alliierten bis 2099 geregelt sein und, dass jeder Bundeskanzler, bevor er einen Amtseid leistet, unterschreibt. Was wird er dann wohl unterschreiben, wenn das, was Christoph Hörstel zur Abnickung der Stellung eines Obersten für die NATO gilt?
Es waren in der Zeit auch Landtagswahlen. Bei diesen Wahlen hatte die SPD Verluste erlitten. Am Wahlabend des 24. September 2017 hat er als Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat die Große Koalition mit Angela Merkel als beendet bezeichnet. Soweit ich mich erinnern kann sagte Martin Schulz: „Mit dem heutigen Abend endet zugleich unsere Zusammenarbeit mit der CDU und der CSU in der Großen Koalition“. Ich habe diese Absage auch als Absage für eine spätere Große Koalition aufgefasst. Ich bin überzeugt, dass ich mit meiner Meinung nicht allein bin. Weitere Malus-Punkte.
Die Äußerung, dass die Zusammenarbeit mit der CDU und der CSU beendet ist, muss bei einigen in der SPD Ängste ausgelöst haben. Wenn keine Große Koalition mehr, dann eine Koalition mit der FDP und dem Bündnis 90/Die Grünen eine Ampel-Koalition? Eine Koalition mit Die Linke oder der AfD kam nicht in Betracht. Verhandlungen mit dem Bündnis 90/Die Grünen brachte für die SPD kein Ergebniss.
Martin Schulz war für die SPD scheinbar nicht mehr tragbar. Also brauchte man ein Bauernopfer, das scheint dann immer die einfachere Lösung. Es sind auch die Ängste der Abgeordneten und der Noch-Minister, die möglicherweise ihr Mandat verlieren. Meiner Meinung nach aber nicht nur die Ängste dieser Leute, sondern auch ein Machtverlust der Leute, die im Hintergrund die Strippen ziehen. Dieser vermutete Machtverlust dieser Strippenzieher, die mit allen Parteien vernetzt sind, hat meiner Meinung nach, eine große Rolle gespielt. Keine Große Koalition, kein Abgeordneter, kein Minister, Vize-Parlaments-Präsident und auch keine Unterstützung bei der nächsten Wahl zum Bundespräsidenten.
Also verzichtet Martin Schulz auf alles, für das er eingestanden ist. Es geht hier nicht um die Richtigkeit seiner Meinung, sondern es geht um die Folgen seines Verzichts. Die SPD war nach außen gegen eine weitere Große Koalition. Beim damaligen Bundespräsidenten Frank-Walter Steimeier, ein SPD-Mitglied, fand ein Gespräch mit Angela Merkel und Horst Seehofer statt. Ein SPD-Mitglied spricht mit dem ehemaligen Partner der Großen Koalition, Ich denke, dies war der Schlüssel zu einer neuen Großen Koalition und damit das politische Ende für Martin Schulz, als einflussreicher Politiker.
Andrea Nahles wurde Parteivorsitzende. In der folgenden Großen Koalition mit dem Kabinett Merkel IV wurde Heiko Maas Außenminister, Andrea Nahles Fraktionsvorsitzende. Olaf Scholz stieg vom Oberbürgermeister der Hanse-Stadt Hamburg zum Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland auf.
Die SPD hatte ein Problem. Die damaligen Spitzenpolitiker und die oder der, die im Hintergrund die Strippen ziehen, konnten nicht offen für oder gegen eine Große Koalition entscheiden. Also lässt man die Mitglieder schriftlich, in einer geheimen Abstimmung entscheiden. Die Mehrheit von 238.604 Mitgliedern entschieden sich für die Große Koalition. Die Anzahl der bei der Wahl 2017 teilnehmenden Wähler war 46.389.615. So wurde für Angela Merkel mit 0,541 Prozent Stimmen aller Wählenden der Weg zu einer weiteren Kanzlerschaft geebnet. So wurde dann auch der Weg von Olaf Scholz zum Finanzminister und dann 2021 zum Bundeskanzler geebnet.
Nun sind wir beim Ende des Aufstiegs. Das Ende der Ampel-Koalition und auch das Ende des einen oder anderen Ministers im Amt und Abgeordneten-Mandats. Niemand kann sich seiner Verantwortung entziehen, es gibt scheinbar doch eine Gerechtigkeit. Leider ist es aber so, dass die Absteiger, die sich nicht als Aufsteiger hervorgetan haben, immer wieder in Netzwerken aufgefangen werden.
1 Hier der O-Ton der einzelnen oben genannten Personen bei Günther Jauch